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Reiterfliesen aus Rotterdam und Utrecht im Tredegar House, Wales

  
Rotterdam 18. Jhd.                                         Utrecht 19. Jhd.

Tredegar House liegt in South Wales, zwei Meilen westlich von Newport an der Strasse A 48 nach Cardiff. Das Haus ist eines der berühmtesten Bauwerke von Wales und wohl eines der bedeutsamsten Häuser des späten 17. Jahrhunderts auf den Britischen Inseln. Der älteste Teil des Hauses (Servant's Hall) datiert aus dem späten 15. oder frühen 16. Jahrhundert. Bis 1951 war Tredegar House über fünfhundert Jahre Sitz einer der bekanntesten Familien in Wales, den Morgans, später Lords Tredegar. Fliesen im Tredegar House zeigen große Vielfalt in Art und Verwendung im 18. und 19. Jahrhundert. Das Archiv des Hauses liegt in der National Library of Wales in Aberystwyth. Recherchen in vom Agenten James Pratt von 1701 bis 1732 geführten Büchern ergaben, dass 1715 niederländische Fliesen für Tredegar House gekauft wurden.

Die Kosten für den Kauf sind wie folgt beschrieben:
'Nov 21 1715 Paid for 8 dozen of Dutch tiles 1.12.5d. at 4s per dozen and package.'

8 dozen tiles = 96 Fliesen.
Umrechnung der Kosten:
1.12.5d - £1.12.5d = One Pound, twelve shillings and five pence = £1,62
One pound  = 20 shillings
One shilling = 12 pennies or pence
4s = Four shillings (per dozen) or 4d (four pence) each tile.
8 x 4s = 32s = £1.12.0d so package must equal 5d, total £1.12.s5d

 

Best Chamber

Dieser Raum wird in alten Unterlagen mit 'Best Bedchamber' bezeichnet und
war nur hervorragenden Persönlichkeiten vorbehalten.

 

linke Seitenwange des offenen Kamins rechte Seite des offenen Kamins

An den Seitenwänden des offenen Kamins sind Fliesen im Format 132x132 mm angesetzt. Die Fliesenfelder sind jeweils vier Fliesen breit und acht Fliesen hoch. Alle 64 Fliesen zeigen Darstellungen von Reiterinnen und Reitern in manganbrauner Bemalung.
1982 wurde die Fliesen der offenen Feuerstelle restauriert und wieder in ursprünglicher Anordnung angesetzt.
Einige, den Darstellungen entsprechende, Durchstaubschablonen konnte ich im Gemeentearchief Rotterdam unter den Archivnummern 3105 bis 3119 einschließlich finden.

        

GAR 3105                                                      GAR 3106

           

GAR 3109                                                      GAR 3111

            

GAR 3114                                                      GAR 3115

Weiterhin konnte ich herausfinden, dass einige Fliesen historische Persönlichkeiten zeigen, für die Kupferstiche des Antonio Tempesta (1555-1630) Vorlagen waren.

                       

                       

       

        

Korrespondierende Fliesen in manganfarbener Bemalung gibt es im Porzellanhäuschen im Schwetzinger Schlosspark (Deutschland) und in der Casa do Paço in Figueira da Foz (Portugal).
Bei Ausgrabungen in Bereichen früherer französischer Schlösser (Labbeville, Marly-le-Roi und Rochechouart) fand man Bruchstücke von korrespondierenden Fliesen in blauer Bemalung.
Der bekannte niederländische Fliesenforscher Jan Pluis beschreibt eine Fliese dieser Art in seinem Buch 'De Nederlandse Tegel decors en benamingen 1570 - 1930` wie folgt: A.02.07.06 Ruiter met getrokken pistool; hoekmotief: spin; bl; p; 1700-50.
Reiterfliesen nach gleichen Durchstaubschablonen wurden noch Ende des 19. Jahrhunderts in mehreren niederländischen Werkstätten hergestellt. Thomas Elsley aus London importierte Ende des 19. Jahrhunderts handgemalte Fliesen aus den Niederlanden nach England. Auf Karte l seines Fliesenkatalogs ist Isabella Gratiosa als Nr. 19 abgebildet.

 

Side Hall

Die Fliesen im offenen Kamin der Side Hall wurden nach Stichen einer Reitschule von L.M. Steinberger gemalt. Johann Elias Ridinger gab diese Stiche heraus. Die Folge umfasst 24 nummerierte Kupferstiche, die jeweils deutsche und französische Titel tragen. Die gleichen Darstellungen wurden von N. Tardieu gestochen und in der ECOLE DE CAVALERIE des FRANÇOIS ROBICHON DE LA GUÉRINIÈRE veröffentlicht.
Die Fliesen im Kamin der Side Hall sind 150x150 mm groß und wurden nach folgenden Stichen gemalt:

Stich Nr. 13                                                    Stich Nr. 15

Stich Nr. 17                                                    Stich Nr. 18

Stich Nr. 19

Diese fünf Darstellungen wurden auch jeweils spiegelbildlich gefertigt.
Auf den Fliesen im offenen Kamin der Side Hall reiten die Pferde auf den Betrachter zu.
Die Fliesen wurden bei Ravesteijn in Utrecht gefertigt.

Das Rijksmuseum in Amsterdam besitzt diese vier Fliesen in blauer Bemalung aus der Sammlung Arthur Isaac.

 

Im Katalog von Thomas Elsley von ca. 1890 ist die Fliese nach dem Stich 19 als Nr.31 abgebildet.

Die Durchstaubschablonen kamen von Ravesteijn in Utrecht zur Fayencemanufaktur Tichelaar nach Makkum in Friesland und wurden für Fliesen im Format von 130 x 130 mm weiter benutzt.

     

    

    

      

     

Alle gezeigten Originalschablonen übergab die Familie Tichelaar dem Rijksarchief Leeuwarden.

 

Die Reiterfliesen im Tredegar House sind schöne Beispiele für den hohen Qualitätsstandard niederländischer Fliesen des 18. und 19. Jahrhunderts.

 

 

Für die vielfältige Hilfe danke ich:
Dr. Laura Beresford, Keeper, Tredegar House
Stephen Jones, Cataloguing Assistent, National Library of Wales
Chris Blanchett, Tile Historian
Dr. J.D. van Dam, Rijksmuseum Amsterdam
Rainer Fürst, Badische Landesbibliothek
Hans van Lemmen, Tile Historian
Dr. Christian Dittrich, Hauptkonservator, Kupferstich-Kabinett Dresden
Piet Ratsma, Gemeentearchief Rotterdam
und vor allen aber meinem Fliesenfreund Jan Pluis

Fotos stellten zur Verfügung:
aus dem Tredegar House, Dr. Laura Beresford
Tempesta- und Ridingerstiche, Dr. Christian Dittrich
Durchstaubschablonen aus dem Gemeentearchief Rotterdam, Piet Ratsma
Durchstaubschablonen aus dem Rijksarchief Leeuwarden, Jan Pluis
Katalogseite Thomas Elsley, Richard & Hilary Myers, 'William Morris Tiles' (Richard Dennis Publications 1996)
Fliesen aus der Sammlung Isaac, Dr. J.D. van Dam

Tredegar House in Wikipedia
http://en.wikipedia.org/wiki/Tredegar_House