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Kartusche- und Ornamentfliesen des 19. Jahrhunderts
aus der Rotterdamer Fliesenwerkstatt Schiedamsedijk / Leuvehaven
an der Ofenwand eines Bauernhauses in der Krimpenerwaard,
einer Gemeinde in der Provinz Südholland / Niederlande

 

 

Offener Kamin mit elegant geschwungener Haube

 

Haube
Unsigniertes Fliesentableau Ignis - Feuer im Format von 117,9 x 52,4 cm (9 x 4 Fliesen) an der Haube des offenen Kamins. Das Fliesengemälde wird durch Rotterdamer Randfliesen der Art ‚kolomhalfjes‘ im Format 6,5 x 13,1 cm umrahmt. Die Ecken der Rahmung bilden Rotterdamer ‚kolomkwartjes‘ im Format 6,5 x 6,5 cm. Auch die Rahmung der Kaminhaube besteht aus ‚kolomhaljes‘. Die Haube wird oben und unten durch einen ‚rococorand‘ begrenzt.
Vorlage für die Allegorie ‚Ignis - Feuer‘ war eine Druckgrafik nach Giacomo Amiconi (Venedig 1675 – 1752 Madrid).

 

 

Ofenwand

An die Ofenwand wurden 9 x 6 = 54 Fliesen der Art ‚cartouchedecor‘ und 9 x 4 = 36 Ornamentfliesen der Art ‚diagonal decor‘ im Format 130 x 130 mm in blauer Bemalung angesetzt.

 

Ofenwand

 

Kartuschefliesen

Die Kartuschen sind im Stil vom Daniel Marot (1663-1752) ausgeführt. Auf den Kartuschen gibt es Tänzer, gefüllte Blumenvasen und Büsten.

 

Ornamentfliesen

Ornamentfliesen mit einem diagonalen Dekor werden in der Regel so angesetzt, dass ein Eckmotiv das Zentralmotiv von vier Fliesen ergibt.

 

 

Herkunft und Datierung der Fliesen
Es liegen bei den Besitzern des Hofes leider keine schriftlichen Dokumente zum Einkauf und zum Ansetzen der Fliesengemälde, Einzelfliesen und Randfliesen vor.
Anhalt zur Datierung geben Belege von Umbaumaßnahmen des Wohnbereiches aus der Zeit um 1845. Zu dieser Zeit gab es von ehemals sechszehn Rotterdamer Fliesenwerkstätten nur noch die Werkstatt Leuvehaven / Schiedamsedijk. Deren Gebäudeteile reichten vom Leuvehaven bis zum Schiedamsedijk. Die Wohnhausseite lag am Leuvehaven, wo sich auch ein Ladenlokal befand. Vom Leuvehaven konnten Fliesen zum Transport auf Schiffe verladen werden. Bekannt wurde diese Rotterdamer Fliesenwerkstatt als die Familie Aalmis von 1692 bis 1790 Eigentümerin war. Von 1790 bis 1843 besaßen Mitglieder der Familie Verwijk die Werkstatt. Willem van Traa führte die Fliesenwerkstatt von 1843 bis 1852. Sein bester Fliesenmaler war Hendrik Dekker (*1776 - + 1853). Er arbeitete von  1797 bis 1852 in der Fliesenwerkstatt Leuvehaven / Schiedamsedijk. Nachdem Willem van Traa die Fliesenproduktion 1852 eingestellt hatte, wechselte Hendrik Dekker nach Delfshaven zu Frederik Jacobus Kleijn in dessen Fliesenwerkstatt ‚Piet Hein‘.

 

 

Vorlagen für die Fliesen an der Ofenwand

Frederik Jacobus Kleijn schenkte im Juni 1876 ein Vorlagenbuch und einige lose Vorlageblätter dem Archiv der Stadt Rotterdam. Der Archivar vermerkte, dass Vorlagenbuch und Vorlageblätter ursprünglich der ‚Tegelbakkersgilde‘ gehörten.

 

No

Dagtekening

Omschrijving van het Geschenk

Ontvangsten van

15

22 Mei

Twee basementen van Delftsch aardewerk, vervaardigd in der tijd in de Rott. tegelbakkerij van Aalmis

den Heer F.J. Kleijn alhier 

16

Junij

Modelboekje van het Tegelbakkers gilde te Rott. alsmede eenige losse modellen voor tegels en tafereelen

denselfde

 

 

Abbildung 78 im Rotterdamer Vorlagenbuch für Fliesenmaler. Auf dem Blatt findet man die alte Nummer 114.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Eine der Kartuschefliesen an der Kaminwand des Bauernhauses in der Krimpenerwaard.

 

 

Abbildung 88 im Rotterdamer Vorlagenbuch für Fliesenmaler. Auf dem Blatt findet man die alte Nummer 35. Bei einer Inventur des Willem van Traa wurde diese Ornamentfliese 1849 ‚uitgevulde Tulp & Nagel‘ bezeichnet. ‚Nagel‘ war die alte Bezeichnung für ‚anjer‘ (Nelke).

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

Eine der Ornamentfliesen an der Kaminwand des Bauernhauses in der Krimpenerwaard. In Sammlerkreisen wird diese Ornamentfliese ‚Kievitseitjes‘ (Kiebitzeier) genannt. 

 

 

 

 

 

Wer war Frederik Jacobus Kleijn, der Schenker des Vorlagenbuches?
Frederik Jacobus Kleijn wurde am 19.10.1819 in Rotterdam geboren. 1842 war er in der Rotterdamer Fliesenwerkstatt Aalmis Verwijk & Zoonen als Büroangestellter tätig und wohnte mit seiner Mutter im Betriebsgelände am Leuvehaven. Bei der Volkszählung 1843 wohnte er mit seiner Mutter noch im gleichen Gebäude Leuvehaven C 329. Besitzer der Fliesenwerkstatt und des Wohngebäudes war jetzt Cornelis Roeland Verwijk. Noch im gleichen Jahr wurde Willem van Traa neuer Besitzer von Fliesenwerkstatt und Wohngebäude. Er übernahm Frederik Jacobus Kleijn als Büroangestellten und stellte ihm mit seiner Mutter eine Wohnung im Hinterhaus zur Verfügung. Frederik Jacobus Kleijn schied am 21.08.1850 aus den Diensten des Willem van Traa aus. Er stellte am 13.12.1850 bei den Abgeordneten der Provinz Südholland einen Antrag zur Errichtung einer Fliesenbrennerei in Schoonderloo, Gemeinde Delfshaven, Ortsteil D N 80 alt, E N 68 neu. Frederik Jacobus Kleijn nannte seine Werksstatt ‚Piet Hein‘ nach dem 1577 in Delfshaven geborenen Seehelden. 1864 gab Frederik Jacobus Kleijn die Fliesenwerkstatt auf. Mit Schließung der Werkstatt ‚Piet Hein‘ endete zugleich die traditionsreiche Geschichte in Delfshaven handgefertigter Fliesen.

 

 

 

Kartuschefliesen an der Ofenwand des Bauernhauses in der Krimpenerwaard

 A. Kunstenmaker op cartouche‘ – Tänzer auf Kartusche

 

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B. ‚Bloempot op cartouche‘ – Blumenvase auf Kartusche

 

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C. ‚Buste / dame op cartouche‘ – Büste / Dame auf Kartusche

 

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Zusammenfassung

Die Fliesen in der Küche des Bauernhauses in der Gemeinde Krimpenerwaard stammen eindeutig aus der Rotterdamer ‚tegelbakkerij aan den Leuvehaven / Schiedamsedijk’.

Sie wurden gefertigt, als Cornelis Roeland Verwijk Besitzer der Werkstatt war. Ankauf und Anbringung der Kartusche- und Ornamentfliesen in der Küche des Bauernhauses passen zeitlich zu verbürgten Baumaßnahmen.

 

 

Mein Dank gilt Herrn Dr. Herbert van den Berge für die Überlassung der Fotos von der Ofenwand des Bauernhauses und meinem Sohn Norbert für Überarbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.

Siehe auch:
Fliesengemälde des 19. Jahrhunderts
aus der Rotterdamer Fliesenwerkstatt Leuvehaven / Schiedamsedijk
in einem Bauernhaus in der Gemeinde Krimpenerwaard

www.tegels-uit-rotterdam.com/krimpenerwaard.html