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Fliesengemälde des 19. Jahrhunderts aus der Rotterdamer Fliesenwerkstatt

‚De Bloempot‘ Schiedamsedijk / Leuvehaven

in einem Bauernhaus in der Gemeinde Krimpenerwaard

 

 

Wappen der Gemeinde Krimpenerwaard

Krimpenerwaard, eine Gemeinde in der Provinz Südholland, ist am 1. Januar 2015 durch die Fusion der bisher selbstständigen Gemeinden Bergambacht, Nederlek, Ouderkerk, Schoonhoven und Vlist entstanden. ‚Waard‘ ist der Begriff für flache Landschaft in einem Flußgebiet. Die Entfernung zur Stadt Rotterdam beträgt zirka 30 Kilometer.

 

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Fliesengemälde mit pastoraler Szene in der Küche des Hauses

 

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Unsigniertes Fliesentableau im Format von 39,3 x 52,4 cm (3 x 4 Fliesen).

 

Die pastorale Szene wird umrahmt durch Rotterdamer Randfliesen der Art ‚kolomhalfjes‘ im Format 6,5 x 13,1 cm. Die Ecken der Rahmung bilden Rotterdamer ‚kolomkwartjes‘ im Format 6,5 x 6,5 cm.

 

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Radierung des Nicolaes Pietersz Berchem

 

Das Fliesengemälde in der Krimpenerwaard ist eine spiegelbildliche und vereinfachte Darstellung nach dieser Radierung des Nicolaes Pietersz Berchem (* 1620 in Haarlem - + 1683 in Amsterdan). 1642 trat Berchem in die Haarlemer St. Lukasgilde ein. Nach 1648 studierten Jacob Ochtervelt und Pieter de Hooch bei ihm. Berchem zählt mit seinen Gemälden, Handzeichnungen und rund sechszig Radierungen zu den Hauptvertretern der niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts.

 

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GAR 1976-3333

 

Im Archiv der Stadt Rotterdam liegt dieses Blatt mit der Inventar-Nummer GAR 1976-3333. Es hat die Maße von ca. 26 x 20 cm. Die Konturen der Darstellungen sind durchstochen. Das Papier zeigt Wasserlinien aber kein Wasserzeichen. Dass die Konturen durchstochen sind bedeutet, dass von diesem Vorlagenblatt Durchstaubschablonen gefertigt wurden. Die Maße des Blattes passen allerdings nicht zum beschriebenen Fliesentableau.

 

Frederik Jacobus Kleijn,

Schenker eines Vorlagenbuches und loser Vorlageblätter

 

Frederik Jacobus Kleijn schenkte im Juni 1876 ein Vorlagenbuch und einige lose Vorlageblätter – darunter das Blatt GAR 1976-3333 - dem Archiv der Stadt Rotterdam. Der Archivar vermerkte, dass Vorlagenbuch und Vorlageblätter ursprünglich der ‚Tegelbakkersgilde‘ gehörten.

 

No

Dagtekening

Omschrijving van het Geschenk

Ontvangsten van

15

22 Mei

Twee basementen van Delftsch aardewerk, vervaardigd in der tijd in de Rott. tegelbakkerij van Aalmis

den Heer F.J. Kleijn alhier 

16

Junij

Modelboekje van het Tegelbakkers gilde te Rott. alsmede eenige losse modellen voor tegels en tafereelen

denselfde

 

Wer war Frederik Jacobus Kleijn?

Frederik Jacobus Kleijn wurde am 19.10.1819 in Rotterdam geboren. 1842 war er in der Rotterdamer Fliesenwerkstatt Aalmis Verwijk & Zoonen als Büroangestellter tätig und wohnte mit seiner Mutter im Betriebsgelände am Leuvehaven. Bei der Volkszählung 1843 wohnte er mit seiner Mutter noch im gleichen Gebäude Leuvehaven C 329. Besitzer der Fliesenwerkstatt und des Wohngebäudes war jetzt Cornelis Roeland Verwijk. Noch im gleichen Jahr wurde Willem van Traa neuer Besitzer von Fliesenwerkstatt und Wohngebäude. Er übernahm Frederik Jacobus Kleijn als Büroangestellten und stellte ihm mit seiner Mutter eine Wohnung im Hinterhaus an der Deichseite zur Verfügung. Am 19.02.1845 heiratete Frederik Jacobus Kleijn die am 15.03.1819 in Rotterdam geborene Catharina Maria Theresia Hopman. Frederik Jacobus Kleijn schied am 21.08.1850 aus den Diensten des Willem van Traa aus. Er stellte am 13.12.1850 bei den Abgeordneten der Provinz Südholland einen Antrag zur Errichtung einer Fliesenbrennerei in Schoonderloo, Gemeinde Delfshaven, Ortsteil D N 80 alt, E N 68 neu. Im Antrag wird seine Wohnung mit Goudschen Singel, Wijk 13 N 902 in Rotterdam, angegeben. Frederik Jacobus Kleijn nannte seine Werksstatt ‚Piet Hein‘ nach dem 1577 in Delfshaven geborenen Seehelden. Nachdem Willem van Traa 1853 die Produktion in seiner Manufaktur beendete, kam von dort der Fliesenmaler Hendrik Dekker (1776-1853) bei Frederik Jacobus Kleijn in Dienst. Er war ein guter alter Bekannter von Frederik Jacobus Kleijn, denn er arbeitete seit 1797 in der Werkstatt Aalmis Verwijk & Zoonen als ‘tegelbakkersknecht‘, also in der Rotterdamer Fliesenwerkstatt Schiedamsedijk / Leuvehaven, in der Frederik Jacobus Kleijn von 1842 bis 1850 als Büroangestellter tätig war. Seine letzte Fliese malte Hendrik Dekker im Alter von 77 Jahren in der Fliesenwerkstatt ‚Piet Hein‘ in Delfshaven.

1863 kaufte Frederik Jacobus Kleijn vom ehemaligen Fliesenbrenner Willem van Traa in Rotterdam noch Zeichnungsvorlagen für seine Werkstatt. Im Frühjahr 1864 gab Frederik Jacobus Kleijn die Fliesenwerkstatt auf. Mit Schließung der Werkstatt ‚Piet Hein‘ endete zugleich die traditionsreiche Geschichte in Delfshaven handgefertigter Fliesen. Schon 1852 stoppte Willem van Traa die Fliesenproduktion der letzten Rotterdamer Werkstatt ‚De Bloempot Schiedamsedijk / Leuvehaven‘.

 

 

Allegorien der Elemente Terra (Erde) und Ignis (Feuer)

 

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Unsigniertes Fliesentableau Terra - Erde im Format von 117,9 x 52,4 cm (9 x 4 Fliesen) in der Küche des Hauses (links vom offenen Herd).

 

Das Tableau wird umrahmt durch Rotterdamer Randfliesen der Art ‚kolomhalfjes‘ im Format 6,5 x 13,1 cm. Die Ecken der Rahmung bilden Rotterdamer ‚kolomkwartjes‘ im Format 6,5 x 6,5 cm.

 

Nach der Vier-Elemente-Lehre besteht alles Sein in bestimmten Mischungsverhältnissen aus den vier Grundelementen Terra - Erde, Aqua - Wasser, Aer - Luft und Ignis - Feuer.

In Rotterdam entstanden im 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere allegorische Zyklen als Fliesenbilder. Einer dieser Zyklen zeigt Allegorien der Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Vorlagen für diese Allegorien auf Fliesenbildern waren Druckgrafiken nach Giacomo Amiconi (Venedig 1675 – 1752 Madrid).

 

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Vorlage für die Allegorie ‚Terra - Erde‘ war diese Druckgrafik nach Giacomo Amiconi. Zuerst erschienen diese Stiche der Vier Elemente bei Joseph Wagner (Thalendorf 1706 – 1780 Venedig), einem Schüler des Amiconi. Die vier Blätter tragen als Beischriften die Seriennummer 32, die Blattzahlen 1 bis 4 und Amiconi inv. ... Appo Wagner Ven.a C.P.E.S. Dem Impressum nach sind die Blätter nicht vor 1749 entstanden, da Wagner in diesem Jahr das Privileg erhielt.

 

 

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Vom 25. März 2012 bis zum 28. Oktober 2012 fand im Keramikmuseum ‚Princessehof‘ in Leeuwarden / Niederlande die Ausstellung ‚Groen Geluk‘ statt. Ausgestellt war u.a. dieses von Jan Aalmis signierte Fliesengemälde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Signatur des Jan Aalmis (1714-1799) aus Rotterdam.

I. Aalmis P (inxit)

 

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Die Erde - Terra, Maße der Platte 29,0 x 18,1 cm

 

Sicher regten die Wagnerschen Reproduktionsstiche den Augsburger Kupferstecher Johann Georg Hertel (1700 – 1775) an, seinerseits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Folge der Vier Elemente herauszubringen. Dieses Blatt nach Amiconi ist eine Radierung des Augsburgers Joh. Georg Hertel in der Serie No. 86. Das Blatt trägt die folgenden Hinweise: Amiconi, inv. ... Joh. Georg Hertel, excud. Aug.V. und hochgestellt die Blattzahl 1.

 

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Offener Kamin mit elegant geschwungener Haube

 

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Unsigniertes Fliesentableau Ignis - Feuer im Format von 117,9 x 52,4 cm (9 x 4 Fliesen) an der Haube des offenen Kamins

 

Das Fliesengemälde wird durch Rotterdamer Randfliesen der Art ‚kolomhalfjes‘ im Format 6,5 x 13,1 cm umrahmt. Die Ecken der Rahmung bilden Rotterdamer ‚kolomkwartjes‘ im Format 6,5 x 6,5 cm.

Auch die Rahmung der Kaminhaube besteht aus ‚kolomhaljes‘. Die Haube wird oben und unten durch einen ‚rococorand‘ begrenzt.

Leider geht ein Setzriss senkrecht durch das Gemälde.

 

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Vorlage für die Allegorie ‚Ignis - Feuer‘ auf dem Fliesenbild war diese Druckgrafik nach Giacomo Amiconi (Venedig 1675 – 1752 Madrid). Zuerst erschienen Stiche der  Vier Elemente bei Joseph Wagner (Thalendorf 1706 – 1780 Venedig), einem Schüler des Amiconi. Die vier Blätter tragen als Beischriften die Seriennummer 32, die Blattzahlen 1 bis 4 und Amiconi inv. ... Appo Wagner Ven.a C.P.E.S. Dem Impressum nach sind die Blätter nicht vor 1749 entstanden, da Wagner in diesem Jahr das Privileg erhielt.

 

 

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Das Feuer - Ignis, Maße der Platte 29,0 x 18,1 cm

 

Reproduktionsstich des Augsburger Kupferstechers Johann Georg Hertel (1700 – 1775) in der Serie No. 86. Das Blatt trägt die folgenden Hinweise: Amiconi, inv. ... Joh. Georg Hertel, excud. Aug.V. und hochgestellt die Blattzahl 3.

 

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Untere linke Ecke des Fliesentableaus (Abb. 11)

Formstücke ‚kolomhalfje ‘, kolomkwartje ‘ und ‚rococorand’ bilden Rahmungen

 

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Elegant und handwerklich vorbildlich ausgearbeiter Bogen der Kaminhaube

 

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Unsigniertes Fliesentableau Erde Terra im Format von 117,9 x 52,4 cm (9 x 4 Fliesen) in der Küche des Hauses (rechts vom offenen Kamin)

 

Dieses Fliesengemälde entspricht genau dem Fliesengemälde links vom offenen Kamin (Abbildung 05).

 

 

 

 

Zu welcher Zeit wurden die Fliesenbilder im Haus in der Krimpenerwaard in der Rotterdamer Werkstatt ‚De Boempot‘ gemalt?

Viele mir bekannte Fliesenbilder der Vier Elemente sind nicht signiert. Sie können aber nach Vergleichen mit von Jan Aalmis signierten allegorischen Fliesenbildern und vor allem wegen der Art der Rahmungen der Rotterdamer Fayencewerkstatt zugeschrieben werden.

Jan Aalmis geboren 1714, übernahm nach dem Tod seines Vaters 1755 mit seinem Bruder Jan Bartholomeus gemeinsam die Leitung der Werkstatt und führte nach dem Tod seines Bruders ab 1786 die Werkstatt alleine weiter. Er verkaufte 1787 die ‘tegelbakkerij aan den Schiedamschedijk’ an Laurens Verwijk und starb 1799. Jan Aalmis malte und signierte das Fliesengemälde Terra Erde (Abbildungen 07 und 08).

Laurens Verwijk, geboren 1734, kaufte 1787 von Jan Aalmis ‘de trafiek der tegelbakkerij met den winkel en de aardewasscherij’, wurde von Jan Aalmis bis Ende des Jahres 1790 in dem Fach unterrichtet und starb 1796.

Cornelis Roeland Verwijk, übernahm zusammen mit seinem Bruder Martinus van Beusekom Verwijk nach dem Tod seines Vaters 1796 die Leitung der Firma Aalmis, Verwijk en Zoonen, leitete nach dem Tod seines Bruders ab 1808 die Firma alleine, verkaufte diese 1843 an Willem van Traa und starb 1843.

Willem van Traa kaufte 1843 die Firma Aalmis, Verwijk en Zoonen mit den Gebäuden am Leuvehaven und am Schiedamsedijk. Er übernahm im Lagerbestand auch Fliesenbilder der Elemente ’Aarde’ (Erde) und ’Vuur’ (Feuer), jeweils neun Fliesen hoch und vier Fliesen breit. Nach Inventaraufzeichnungen wurden die Fliesenbilder ’Aarde’ und ’Vuur’ aus dem Lagerbestand 1843 verkauft. Van Traa beendete die Produktion der letzten Rotterdamer ’tegelbakkerij’ (Fliesenwerkstatt) 1852 und verkaufte noch vorrätige Fliesen bis 1873.

 

 

Zusammenfassung

Die Fliesengemälde in der Küche des Bauernhauses in der Gemeinde Krimpenerwaard stammen eindeutig aus der Rotterdamer ‚tegelbakkerij aan den Schiedamsedijk / Leuvehaven’.

Alle wurden nach bekannten grafischen Vorlagen gemalt. Sie wurden gefertigt, als Cornelis Roeland Verwijk Besitzer der Werkstatt war, denn Willem van Traa übernahm beim Kauf der Werkstatt 1843 den Lagerbestand und damit gemäß Inventarliste auch Fliesengemälde ‚Aarde‘ und ‚Vuur‘, jeweils im Format von neun x vier Fliesen. Der Verkauf erfolgte 1843, da sie in der Inventur 1844 nicht mehr verzeichnet sind.

Ankauf und Anbringung der Fliesengemälde in der Küche des Bauernhauses passen zeitlich zu verbürgten Baumaßnahmen.

 

 

Mein Dank gilt Herrn Dr. Herbert van den Berge für die Überlassung der Fotos aus der Küche des Bauernhauses, Jan Pluis für die Überlassung seiner Fotos aus Leeuwarden und meinem Sohn Norbert für Überarbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.