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Hahn und Papagei auf Blumenvasentableaus

in niederländischer Sprache in: TEGEL 27/1999 (DE HAAN EN DE PAPEGAAI OP BLOEMVAASTABLEAUS)
TEGEL ist eine Ausgabe der Stichting van Vrienden van het Nederlands Tegelmuseum Otterlo und erscheint einmal im Jahr.

Abb. 1    Schauküche mit großen polychromen Blumenvasentableaus in der Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark (Link zum ausführlichen Bericht)

Große polychrome Blumenvasentableaus (Abb. 1) haben spätestens seit einer Veröffentlichung des Robert Danis (1) besondere Aufmerksamkeit erfahren. In seinem Buch beschrieb er Fliesen, die als Wandbekleidungen und Bodenbeläge - ja sogar als Dachdeckung - beim „Trianon de Porcelaine“ (1671-1687) zu Versailles verwendet wurden.
Danis versuchte die Rekonstruktion der ‘Chambre de Diane’ nach Félibien (2) (Abb. 2). Dabei wurde er von Fliesenräumen beeinflusst, die ihm bekannt waren. So bildete Robert Danis auch ein großes Blumenvasentableau aus Schloss Rambouillet ab und erklärte, dass die vier Blumenvasentableaus in Schloß Rambouillet Zweitverwendung von Fliesentableaus aus dem Trianon zu Versailles seien (Abb. 8).

Abb. 2    ’Chambre de Diane’ im ‘Trianon de Porcelaine’ (1671-1687), Versailles

Dies ist nicht möglich, da die Beschreibung Félibiens aus dem Jahre 1673 datiert und Details dieser polychromen Tableaus nach Farbstichen von Johan Teyler (3) gemalt wurden, die um 1688 entstanden (4). Auf allen vier Tableaus ist jeweils in der rechten unteren Ecke ein Hahn zu sehen und auf den Tableaus in den Rundungen zum offenen Kamin in den unteren linken Ecken jeweils ein Papagei auf einer Stange. Diese Details sollen Betrachtung dieses Artikels sein.

Fliesentableaus mit dem Hahn nach dem Farbstich des Johan Teyler (5)

Mir sind ein einfarbig blau und dreizehn polychrom gemalte Blumenvasentableaus mit diesem Detail bekannt (6).

Abb. 3    Hahn, Farbdruck des Johan Teyler, ca. 1688, 23 x 18 cm,
Rijksmuseum Amsterdam Prentenkabinet, Inv. nr. 38:1130, Foto: Rijksmuseum Amsterdam

Den Hahn als Einzeldarstellung auf Fliesentableaus kenne ich nur in manganbrauner Ausführung. Ein solches Tableau besitzt das Rijksmuseum Amsterdam (7). Weitere Exemplare dieses auf 2 x 3 Fliesen manganbraun gemalten Hahns sind aus Privatbesitz und Kunsthandel bekannt (Abb. 4).

Abb. 4    Hahn nach dem Farbdruck des Johan Teyler, Fliesentableau 3 x 2 Fliesen,
manganfarben, in einem Bauernhaus in ’s-Gravenpolder (Zeeland), Foto: J. Pluis

Eine Besonderheit stellt die polychrome Darstellung des gleichen Hahns auf einer Platte aus der Sammlung Demmin im Museum Wiesbaden (8) dar (Abb. 5).
Diese Platte ist auf der glasierten Rückseite von Piet Vizeer (9) signiert und mit 1769 datiert.

Abb. 5    Hahn nach einem Farbdruck des Johan Teyler, Platte 240 x 240 x 22 mm,
signiert P. Viseer, datiert 1769, Sammlung Demmin im Museum Wiesbaden, Foto: Marggraf/Voth

Fliesentableaus mit dem Papagei nach dem Farbstich des Johan Teyler (10)

Mir ist der Papagei auf einem einfarbig blau, einem einfarbig manganbraun und elf polychrom gemalten Fliesentableaus bekannt (11). Ein Tableau mit der alleinigen Darstellung des Papagei nach dem Farbstich des Johan Teyler kenne ich nicht.

Abb. 6    Farbdruck mit einem Papagei, Johan Teyler, ca. 1688, 24 x 19 cm,
Rijksmuseum Amsterdam Prentenkabinet, Inv. Nr. 39:932, Foto: Rijksmuseum Amsterdam

Fabrikat und Datierung

Trotz jahrelanger Bemühungen ist es mir bis jetzt nicht gelungen, Baurechnungen für die Schlösser Amalienburg und Rambouillet zu finden, die eine Lieferung der großen Blumenvasentableaus belegen.
Dr Carla H. de Jonge schrieb diese Tableaus Delfter Werkstätten zu (12) .
Ich konnte bis heute nur Scherben und Rückseiten der blau bemalten Fliesen des Tableaus aus dem Waisenhaus in Sommelsdijk in Amsterdam und des manganbraun gemalten Blumenvasentableaus im Museum Oldenburg sehen. Auf den Rückseiten sind wie bei von Jan Aalmis signierten Tableaus die Buchstaben mittig oben und darunter die Ziffern angeordnet Deshalb nehme ich an, dass alle bezeichneten Blumenvasentableaus nicht aus Delfter, sondern aus Rotterdamer Werkstätten stammen.
Die großen Blumenvasentableaus datiere ich auf Grund von Baudaten der Gebäude in denen sich diese Tableaus befinden oder befanden auf 1720 bis 1730.

Amalienburg (1734-1739)

Fliesen mit biblischen Themen, Randfliesen und Pilare weisen auf Rotterdamer Werkstätten hin. Es sind Vergleichsstücke z.B. im Historisch Museum zu Rotterdam vorhanden, die nachweislich aus Rotterdamer Häusern stammen.
Da Fliesen der drei großen Blumenvasentableaus bildlich nicht richtig angesetzt wurden und Rekonstruktionsversuche der Schloßverwaltung Nymphenburg in den fünfziger Jahren ergaben, dass Fliesen fehlen aber andererseits auch Fliesen angesetzt wurden, die zu keinem der drei Tableaus gehören, gehe ich davon aus, daß mehrere polychrome Blumenvasentableaus ursprünglich in der Münchner Residenz angesetzt waren (Abb. 1). Kurfürst Max Emanuel beauftragte seinen Hofbaumeister Joseph Effner 1726 mit umfangreichen Umbauarbeiten der Grottenhoftrakte. Sein Sohn, Kurfürst Karl Albrecht (der spätere Kaiser Karl VII.), setzte das vom Vater Begonnene fort. Eine Feuersbrunst wütete am 14. Dezember 1729 in den Grottenhoftrakten der Residenz. Die neu geschaffenen und kostbar ausgestatteten Zimmer im Südtrakt des Grottenhofes wurden vor allem in Mitleidenschaft gezogen. Unmittelbar nach dem Brand begann der Wiederaufbau der ausgebrannten Trakte nach Plänen und unter Leitung des Francois Cuvilliés, der auch den Bau der Amalienburg plante und beaufsichtigte. Cuvilliés stattete übrigens auch das Jagdschloss Falkenlust bei Brühl (1729-1737) mit Rotterdamer Fliesen aus.
Ein weiterer Beleg für meine Theorie ist, dass bis zur Zerstörung großer Teile der Münchner Residenz im Kriegsjahr 1944 noch ein polychromes Blumenvasentableau und zwei manganbraun gemalte Pilaren in einem Flur der Münchner Residenz angesetzt waren.

Schloss Rambouillet (1715-1750)

Der Raum mit den vier Blumenvasentableaus wird in Rambouillet mit ’salle de bains Comte de Toulouse’ bezeichnet. Von 1706 bis 1738 war ein ’Comte de Toulouse’ Besitzer des Schlosses. Er ließ es in den Jahren 1715-1730 an der Westseite durch einen neuen Flügel erweitern. Im Parkparterre dieses neuen Flügels finden wir den Raum, in dem alle Wandflächen mit Fliesen bekleidet sind. In die Wandflächen sind vier polychrome Blumenvasentableaus integriert.
Auf den beiden Tablaus an den Längsseiten des Raumes findet man den Hahn und auf den beiden Tableaus in den Rundungen zum offenen Kamin Hahn und Papagei nach Teyler. Auch diese vier Blumenvasentableaus wurden nach meiner Meinung in einer Rotterdamer Fliesenwerkstatt gefertigt. Diese meine Annahme stützt sich auch auf die Tatsache, dass sich zwei von dem Rotterdamer Fliesenmaler Cornelis Boumeester (13) gemalte große Hafenansichten von Amsterdam und Rotterdam im gleichen Raum befinden. Auch die angrenzenden Fliesen der drei Dekorarten ’Landschap in cirkel op gesprenkeld fond met uitgespaarde anjer’, ’Landschap heel over’ und ’Landschap in het lof’ sind in Rotterdam gefertigt. Aus künstlerischer und technischer Sicht waren Rotterdamer Werkstätten in der Lage solche polychromen Blumenvasentableaus zu fertigen.

Abb. 7    Schloss Rambouillet, polychromes Blumenvasentableau von der linken Seitenwand.
Die Fliesen sind mit Pech auf ein hölzernes Türblatt geklebt
und zusätzlich mit Bleinägeln in den Kreuzfugen befestigt.

Abb. 8    Schloss Rambouillet, Blumenvasentableau in der linken Rundung zum offenen Kamin.

Abb. 9    Schloss Rambouillet, Hafenansicht von Rotterdam,
Signatur CBM auf der auf dem Wasser treibenden Tonne.

Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist das eine
Signatur des Rotterdamer Fliesenmalers Cornelis Boumeester.

Abb. 10    Schiffe vor Amsterdam,
Signatur CBM auf der auf dem Wasser treibenden Tonne.

 

Victoria and Albert Museum, London

Abb. 11    Victoria and Albert Museum, London. Von Ferrand W. Hudig auf ca. 1735 datiert.

RIJKSMUSEUM AMSTERDAM

Das Blumenvasentableau in blauer Bemalung (Abb. 12) stammt ursprünglich von einer Herdwand aus einem Waisenhaus in Sommelsdijk.
Es ist anzunehmen, dass Bestellung und Ansetzen der Fliesen 1722 stattfand als ein Amtmann der Gemeinde Sommelsdijk sein Haus umbauen ließ und es Waisenkindern als Heim übergab. (14) Als das Tableau 1997 restauriert wurde, konnten die Rückseiten der Fliesen betrachtet und dokumentiert werden. Die Nummerierung ist genau so ausgeführt, wie wir dies auch von anderen Rotterdamer Tableaus kennen (Abb. 13).

Abb. 12    Blumenvasentableau, 12 x 8 Fliesen, Rijksmuseum Amsterdam,
früher im ehemaligen Waisenhaus der Gemeinde Sommelsdijk.
Rijksmuseum Amsterdam, Inv.Nr. N.M. 4638, Foto: Rijksmuseum Amsterdam

Abb. 13    Rückseiten von 11 Fliesen des Blumenvasentableaus aus Sommelsdijk.
Foto: Rijksmuseum Amsterdam

Museum Oldenburg

Ein manganbraun gemalte Blumenvasentableau - mit Hahn und Papagei nach Farbstichen von Johan Teyler - weist durch Art und Anordnung des Buchstaben D sowie der Ziffern 1 bis 45 auf den Rückseiten der Fliesen auf den Herstellungsort Rotterdam hin.

Repliken

Die Königlichen Majolika- und Terrakotten-Werkstätten Cadinen (Westpreußen) stellten am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Repliken der großen polychromen Blumenvasentableaus her (15). Auch auf diesen Tableaus waren Hahn und Papagei nach den Farbstichen des Johan Teyler gemalt. Die Repliken dürften als solche zu erkennen sein, da nach damaligen Werksangaben alle Cadiner Fliesen rückseitig mit dem Werkszeichen, einer Krone mit dem Schriftzug CADINEN, markiert wurden.

Zusammenfassung

Das früheste Datum der Herstellung der großen Blumenvasentableaus wird durch die Farbstiche von Hahn und Papagei des Johan Teyler mit ca. 1688 begrenzt. Damit ist die Version des Robert Danis, dass die Fliesentableaus im ‘Trianon de Porcelaine’ vor 1673 datierten, und derer, die seine Angaben übernahmen, widerlegt.
Die Tableaus in Schloß Rambouillet sind demgemäss auch keine in Zweitverwendung angesetzte Tableaus aus dem ‘Trianon de Porcelaine’.
Beachtet man Baudaten der Residenz in München, des Schlosses Rambouillet, des Waisenhauses in Sommelsdijk und der Amalienburg im Schloßpark zu Nymphenburg, so ist die Zeit der Herstellung der Tableaus zwischen 1720 und 1730 anzusetzen.
Buchstaben und Ziffern auf den Rückseiten der Fliesen aus Sommelsdijk und im Museum Oldenburg lassen hinsichtlich Art und Anordnung an den Herstellungsort Rotterdam denken.
Es war die Blütezeit Rotterdamer Fayencewerkstätten z.B. mit ihren Inhabern Jan Pieterszn. Aalmis (‘De Bloempot’ Schiedamsedijk/Leuvehaven), Wed.H. Schut I und Hendrik Schut II (‘Delftse Vaart’), Leendert de Meijer (‘Het Wapen van Dantzich’ aan de Hoogstraat) und Adriaen Luffneu (Glashaven, westzijde).
Der bekannte Maler Cornelis Boumeester arbeitetete von ca. 1676 bis 1732 in der Rotterdamer Werkstatt ‘Delftse Vaart’.
Sollten die polychromen Blumenvasentableaus wider Erwarten in einer Delfter Werkstatt gefertigt worden sein, so kämen vorrangig De Lampetkan, De Ham, De Paeuw, De Roos, Rouaen und de Griekse A in Frage.
Weitere Hinweise zum Herstellungsort wären zu erwarten, wenn es möglich würde, Rückseiten von Fliesen der polychrom bemalten Tableaus zu dokumentieren.
Die Suche nach Belegen für die Lieferung der großen Blumenvasentableaus mit den Darstellungen von Hahn und Papagei sollte aufgenommen bzw. weiter betrieben werden.

Anmerkungen

1) ROBERT DANIS, LA PREMIÈRE MAISON ROYALE DE TRIANON 1670-1687 (Paris 1927)
Seine Angaben wurden von Autoren bis jetzt übernommen.

2) ANDRÉ FÉLIBIEN, DESCRIPTION SOMMAIRE DU CHÂTEAU DE VERSAILLES (PARIS 1673)

3) JOHAN TEYLER, Maler, Kupferstecher, Mathematiker und Ingenieur, *1648 Nymwegen + 1712.

4) JOHAN TEYLER erhielt 1688 ein 25jähriges Privileg auf ein von ihm erfundenes Verfahren des farbigen Kupferdruckes von einer Platte. Angabe bei Thieme-Becker, Künstler-Lexikon, Band 32 (Leipzig 1938)

5) Rijksmuseum Amsterdam Prentenkabinet, Inv.Nr. 38:1130

6) Ein einfarbig blau gemaltes Tableau aus einem Waisenhaus in Sommelsdijk ist Teil der Sammlung des Rijksmuseums Amsterdam (Inv.Nr. N.M. 4638).
Polychrome Blumenvasentableaus mit dem Detail des Hahns sind wie folgt verteilt:
4 in Schloss Rambouillet, 3 in der Amalienburg in Nymphenburg, 2 im Rijksmuseum Amsterdam, 1 im Dansk Kunstindustrimuseet in Kopenhagen (aus dem französischen Schloß Cangé und von dem Pariser Kunsthändler Nicolier erworben). Im zweiten Weltkrieg wurden 1 Tableau in der Münchener Residenz und 2 Tableaus im Potsdamer Stadtschloss zerstört.

7) Inv.Nr. 2668 (1875 mit der Sammlung A.P. Hermans-Smits, Eindhoven, angekauft)

8) DS 1016

9) PIET VIZEER. Lebenssdaten sind mir leider nicht bekannt. Nachforschungen u.a. in Archiven in Amsterdam, Delft und Rotterdam blieben ergebnislos. Die Angaben bei Thieme-Becker mit + vor 1762 und W.B. Honey mit + before 1765 stimmen nicht, denn im Rijksmuseum Amsterdam liegen zwei Fliesen mit polychrom gemalten Oranierwappen aus der Sammlung Loudon (Inv.Nr. N.M. 12400-197 1752 datiert) und (Inv.Nr. N.M. 12400-198 signiert und 1765 datiert). Die signierte Platte im Museum Wiesbaden ist sogar 1769 datiert!

10) Rijksmuseum Amsterdam Prentenkabinet, Inv.Nr. 39:832

11) Ein einfarbig blau gemaltes Tableau aus einem Waisenhaus in Sommelsdijk ist Teil der Sammlung des Rijksmuseums Amsterdam (Inv.Nr. N.M. 4638).
Ein einfarbig manganbraun gemaltes Tableau wurde 1910 von Otto Riesebieter dem Landesmuseum Oldenburg geschenkt (Inv.Nr. LMO 2977).
Polychrome Blumenvasentableaus mit dem Detail des Papagei sind wie folgt verteilt:
2 in Schloß Rambouillet, 3 in der Amalienburg in Nymphenburg, 2 im Rijksmuseum Amsterdam, 1 im Dansk Kunstindustrimuseet in Kopenhagen, 1 im Victoria & Albert Museum in London.
Im zweiten Weltkrieg wurden 2 Tableaus im Potsdamer Stadtschloß zerstört.

12) JKVR.C.H. DE JONGE: HOLLANDSE TEGELKAMERS IN DUITSE EN FRANSE KASTELEN in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1959

13) Der Maler CORNELIS BOUMEESTER (*1652 + Nov. 1733) lebte und arbeitete in Rotterdam. Die Lebensdaten bei Scheffer-Obreen und Havard stimmen nicht. Er wurde dort mit seinem Neffen Cornelis Samuelszn. Boumeester verwechselt.

14) Freundliche Mitteilung der Gemeindeverwaltung von Sommelsdijk

15) Werkkatalog der Königlichen Majolika- und Terrakotten-Werkstätten Cadinen von 1907, No. 196 mit Abbildung, in der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums Berlin.

Links

Amalienburg
Château Rambouillet
Rijksmuseum Amsterdam
Museum Oldenburg