HOME     www.tegels-uit-rotterdam.com

 

 

Rotterdamer Fliesen
des 18. Jahrhunderts
in der Barockvilla Böcking
in Trarbach

 

 01

Barockvilla Böcking am Moselufer in Trarbach

 

Das prächtige Patrizierhaus, 1750 am Moselufer in Trarbach im Stil des Trierer Barock erbaut, überstand die großen Stadtbrände von 1761 und 1857 sowie den 2. Weltkrieg unbeschadet.

Seit 1955 beherbergt es das Mittelmosel-Museum. In den Schauräumen sind wertvolles Mobiliar und Kunstgegenstände aus drei Jahrhunderten zu bewundern. Ausgestellt ist eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte von Stadt und Region Traben-Trarbach.

 

Für den Freund niederländischer Fayencefliesen des 18. Jahrhunderts ist das Patrizierhaus Böcking in Trarbach auf jeden Fall eine Reise wert.

 

 02

 

Auf einer Bronzetafel an der Hauswand steht verzeichnet, dass das Patrizierhaus 1755 durch die Familie Johann Adolf Böcking im Trierer Barock erbaut wurde. Johann Adolf war damals 60 Jahre, sein Sohn Johann Richard 29 Jahre alt.

Das Haus sah berühmte Gäste. Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) war im November 1792 Gast des Ehepaares Ludwig und Dorothea Böcking. Die Familie Böcking pflegte gute Kontakte zum Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) und der französische Dichter Guillaume Apollinaire machte im Mai 1902 in der Barockvilla Böcking in Trarbach Station.

 

 03

Vom Stolz der Familie Böcking zeugt als Ersatz für ein Wappen das Medaillon mit einem auf einem Weinfass tanzenden Putto und den Buchstaben A B über Querstrichen und Sternen. Über der Haustür prangen in Schmiedeeisen die gekrönten Buchstaben A und B.

 

 

GROSSER SALON IM HOCHPARTERRE

 

 04

Großer Salon im Hochparterre mit Herdnische

 

Die Gemälde zeigen: in der oberen Reihe von links Johann Adolf Böcking (1695-1770) Kaufmann, Landeskassierer und Bankier in Trarbach, Erbauer der Barockvilla; Margarethe Böcking, geb. Dorbeck (1705-1744), Ehefrau des Johann Adolf Böcking; Richard Böcking (1726-1773), Sohn von Johann Adolf und Margarethe Böcking; Eleonore Elisabeth Böcking, geb. Hauth (1736-1785), Ehefrau des Richard Böcking: in der unteren Reihe von links Adolph Böcking (1754-1800), Sohn von Richard und Eleonore Elisabeth Böcking; Ernestine Clara Böcking geb. von Scheibler (1740-1821), Ehefrau des Adolph Böcking.

 

 05

Großer Salon im Hochparterre

 

Die Gemälde zeigen: links neben der Tür oben Eleonore Elisabeth Böcking (1736-1785), Ehefrau des Richard Böcking (1726-1773); links neben der Tür unten Ernestine Clara Böcking, Ehefrau des Adolph Böcking (1754-1800); über der Tür Altersportrait der Eleonore Elisabeth Böcking; an der rechten Wand Selbstportrait des Düsseldorfer Kunstmalers Josef Schex (1819-1894), Ehemann von Eleonore Böcking (1827-1911); Adolf Böcking (1867-1898) starb als Kanzler des deutschen Schutzgebietes Togo; Richard Böcking (1861-1939), blieb unverheiratet und starb ohne eigene Nachkommen.

 

 05a

Portrait der Charlotte Dorothea Böcking in der Barockvilla Böcking

Das um 1857 entstandene großformatige Ölgemälde, das die Portraitierte als 30-Jährige zeigt, wurde von ihrem späteren Gatten, dem Düsseldorfer Kunstmaler Joseph Schex gemalt.
Eleonore Charlotte Dorothea Böcking (1827-1911), Tochter des Adolf Carl Böcking (1799-1866) und der Eleonore Wagner (1803-1834), verheiratet mit dem Düsseldorfer Kunstmaler Joseph Schex (1819-1894), wohnte seit dem Tod ihres Gatten wieder von 1894 bis 1911 in ihrem Geburtshaus in Trarbach.
Sie starb kinderlos und war die letzte Familienangehörige, die das historische Gebäude noch selbst bewohnte.

 

 

Den Raum ziert rundum ein sieben Fliesen hoher keramischer Wandsockel. Es sind insgesamt ca. 1100 Rotterdamer Fayencefliesen der Dekore ‚Landschaft im Achteck‘ und ‚Landschaft im Doppelkreis‘.

 

 06

Fensterfront im großen Salon, linker Bereich

 

 07

Fensterfront im großen Salon, rechter Bereich

 

 08

Herdnische im großen Salon

 

Die Gemälde zeigen Johann Adolf Böcking (gestorben 1711), Großvater von Johann Adolf Böcking (1695-1770), dem Erbauer der Barockvilla und Justina Margaretha Böcking, geb. Allmacher (1665-1713), Mutter von Johann Adolf Böcking.

 

 09

Die Herdnische wurde mit 207 Fliesen ausgekleidet.

 

 

Übersicht über die im großen Salon angetroffenen Rotterdamer Fayencefliesen

 

Die beiden Dekore werden in den Niederlanden wie folgt benannt:

          

10  Landschap in achtkant op gesprenkeld fond,                   11 Landschap in cirkel, hoekmotief: ossenkop,
      met uitgespaard blad, blauw geschilderd,                             blauw geschilderd
      paars gesprenkeld

 

Den Nachweis, dass die Fliesen aus einer Rotterdamer Fayencewerkstatt kamen, belegen zwei Fliesen im großen Salon. Sie wurden nach Vorlagen gemalt, die Teil eines Musterbuches für Fliesenmaler sind, das im Gemeentearchief Rotterdam als RMT 3195 aufbewahrt wird.

 

 12

 

 13

Detail aus Abbildung 12

 

 14

Blatt 7 (alt: 172) eines Musterbuches für Fliesenmaler, das im Gemeentearchief Rotterdam als RMT 3195 aufbewahrt wird.

 

 15

 

 16

Detail aus Abbildung 15

 

 17

Blatt 8 (alt: 171) eines Musterbuches für Fliesenmaler, das im Gemeentearchief Rotterdam als RMT 3195 aufbewahrt wird.

 

Beziehung zu Rotterdam gab es auch durch den zwei Jahre älteren Bruder des Johann Adolf Böcking, Johann Reichard Böcking. Im Rotterdamer Archiv fand ich den Hinweis, dass dieser am 01.11.1754 Taufpate für Catharina Elizabeth Langguth und am 14.11.1756 Taufpate für Hendrina Francina Langguth war (DTB Rotterdam Doop Luthers). Vater der Kinder war der aus Trarbach stammende Mediziner Richard Langguth, der 1748 ein Haus ‚op de Nieuwe Haven over de Pakkenbrug‘ besaß.

 

 18

 

 19

 

Zur Bemalung der Fliesen wurden Durchstaubschablonen benutzt. Den Malern blieb aber viel Raum zur eigenen Gestaltung. Dies ist deutlich an den beiden Fliesen mit einem Angler im Boot zu sehen. Besonders deutlich unterscheiden sich die Wolken und die Wasseroberflächen.

 

 20

 

Die keramischen Wandbekleidungen sind leider in einem technisch schlechten Zustand. Spannungen im Wandaufbau drücken hier die obere linke Fliese aus der Fläche und verursachen an Fliesen Risse, Glasurabscherungen und Eckabbrüche.

 

 21

 

Dieser Bereich wurde zu einem mir nicht bekannten Zeitpunkt unsachgemäß verändert.

 

 22

Interessant sind die beiden oberen Fliesen. Bei ‚Landschap in achtkant op gesprenkeld fond‘ und ‚Landschap in cirkel‘ wurde zur Bemalung die gleiche Durchstaubschablone benutzt.

 

 23

Die keramische Wandbekleidung ist auch in diesem Teilbereich in einem technisch schlechten Zustand. Spannungen im Wandaufbau haben Mörtelbett mit Fliesenbekleidung vom Mauerwerk gelöst und aufgebeult. Zwei Fliesen fehlen. In dieser Fehlstelle ist der enorme Druck deutlich an den Aufplatzungen des Mörtelbettes zu erkennen.

 

 24

Fliesen an der Außenkante eines Wandvorsprungs.

Die Darstellungen des Anglers sind von zwei Fliesenmalern recht unterschiedlich ausgeführt.
Fliesen an Außenecken sind besonders stoßempfindlich, da die Fliesenkanten, die im 90°-Winkel aufeinander stoßen schräg geschliffen wurden.

 

 25

Bedingt durch unterschiedliche Fliesengrößen kam es zum Fugenversatz.

 

 26

 

 27

Bildinhalte sind nicht immer verständlich. Dies gilt zum Beispiel für das Pferdefuhrwerk.

 

 28

Die Mühle in der oberen Reihe ist ein sogenannter ‚Grundsegler‘. Die Balken bilden den ‚Stert‘, womit die Mühle nach dem Wind gedreht wird.
Die Hirtin in der unteren Reihe links trägt Kleidung der Zeit mit einem Leinenkäppchen auf dem Kopf und einem großen Sommerhut am linken Arm.

 

 29

 

 30

Detail der Herdnische

 

 31

Detail der Herdnische

Im Ansatz zur Wölbung ergibt sich ein Fugenversatz.

 

 32

 

 33

 

 34

 

 35

In diesem Teilbereich ist die keramische Wandbekleidung stark aufgebeult. Fliesen drohen abzustürzen.

 

 36

Büste des Nicolas Villeroy im großen Salon

 

Nicolas Villeroy (* 14. Mai 1759 in Metz) war das jüngste von sieben Kinder der Eheleute Claude Villeroy und Catherine Drouot. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in Trarbach auf dem Weingut von Richard Böcking und heiratete 1786 dessen Tochter Thérèse-Sophie (1764-1842). Nicolas Villeroy war ab 1784 Vertriebsleiter der Saline von Saint-Avold in Lothringen. Dort lernte er Jean François Boch (1782-1858) kennen. Mit ihm gründete er 1836 das heute international bekannte Keramikunternehmen Villeroy & Boch. Nicolas Boch starb am 28. Dezember 1843.

 

 

 

2. BIEDERMEIERZIMMER IM HOCHPARTERRE

 

 37

Im Biedermeierzimmer wurde ein zweireihiger Sockel angesetzt. Er ist in den meisten Wandbereichen noch vorhanden.

 

 38

 

 39

 

 40

Der zweireihige Fliesensockel ist in großen Bereichen geschädigt. Feuchtigkeit hat Glasur vom Scherben gedrückt. Für einige Fliesen ist die Restaurierung kaum mehr möglich.

 

 

 

3. HERRENZIMMER IM 1. OBERGESCHOSS

 40

Auch in diesem Raum gibt es einen zweireihigen Fliesensockel mit Dekoren der Art wie im großen Salon.

 

 41

 

 42

Die Fliesen stehen auf Spannung. Daraus resultieren Fugenabrisse, Kanten- und Eckabscherungen.

 

 

 

4. ROKOKOSAAL IM 1. OBERGESCHOSS

 

 43

 

 44

Im Fliesensockel gibt es sehr starke Fugenversprünge,

 

 45

Ursache der Risse im Fliesensockel ist die harte Verbindung zum Holzfußboden.

 

 

 

Zusammenstellung der Dekore im Achteck auf gesprenkeltem Grund mit dem Eckornament ‚blad‘
‚blad‘ ist die Vereinfachung einer Nelke.

 

01

02

03

04

05

06

07

08

09

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

 

 

 

Zusammenstellung der Dekore im Doppelkreis mit dem Eckornament ‚ossenkop‘
‚ossenkop‘ = Ochsenkopf

 

01

02

03

04

05

06

07

08

09

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

 

22

23

 

 

 

 

 

Vergleich von Fliesen im Achteck in der Barockvilla in Trarbach mit Fliesen im Achteck im Hôtel de Groesbeeck-de Croix in Namur

 

Trarbach

Namur

Trarbach

Namur

 

Bitte schauen Sie meinen Bericht

Hôtel de Groesbeeck-de Croix, Namur, Belgien, Teil 1
Rotterdamer Fliesen des 18. Jahrhunderts in Küche und Toilette
www.tegels-uit-rotterdam.com/namur.html

Dort finden Sie auch einen Text zur Herstellung von Fayencefliesen in Rotterdam im 18. Jahrhundert.

 

 

Bildnachweis:

Gemeentearchief Rotterdam 14 und 17

Mittelmosel-Museum 05a

Norbert Joliet alle übrigen Bilder

 

 

Ich danke Herrn Museumsleiter Christof Krieger für die Genehmigung der Fotoaufnahmen im Museum, für Bild 05a und die Genehmigung zur Veröffentlichung des Bildmaterials in diesem Bericht im Internet. Von ihm erhielt ich auch die Erläuterungen zu den auf den Abbildunge 04, 05, 05a und 08 gezeigten Portraits.

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Fahrt nach Trarbach, die Fotoaufnahmen und die Veröffentlichung des Berichtes im Internet.

Dank auch an Herrn Eberhard Schönberger M.A. aus Bruch / Salm. Er machte mich auf die Fliesenarbeiten in der Trarbacher Barockvilla Böcking aufmerksam.

 

 

Mittelmosel-Museum in der Barockvilla Böcking
Casinostraße 2
56841 Traben-Trarbach
Tel.: 06541 - 9480
e-Mail:
mittelmosel-museum@traben-trarbach.de
Geöffnet: Ostern bis Oktober täglich außer Montag von 10.00 bis 17.00 Uhr